Vor dem Paddeln auf dem Meer in unseren kleinen Nussschalen habe ich Respekt, aber nach zwei Seekajak-Trainings, einem Rügen-Wochenende im vergangenen Jahr und der Havel-Plünnenfahrt als Ausdauertestlauf wage ich mich an meine erste Seekajak-Gepäcktour. Innerhalb von sieben Tagen soll es von Schleswig über die Schlei zur Ostseeküste gehen und über die Flensburger Förde wieder landeinwärts bis Flensburg – diese Planung lässt viel Raum für Abstecher ins südliche Dänemark, aber auch für Pausentage bei schlechtem Wetter.
Tag 1: Anreise, Fahrdorf bis Missunde (13 km)
In zwei Autos und mit dem kleinen Bootsanhänger machen wir, 6 Zugvögel, uns am Samstagmorgen um acht auf den Weg. Am Einsetzort in Fahrdorf am Haddebyer Noor treffen zwei Mitpaddlerinnen von den Flensburger Paddelfreunden, die auf Anhieb super zur Gruppe passen und fortan ihre Ortskenntnisse einbringen. Nach 13 Kilometern auf der ruhigen Schlei können wir in Missunde auf dem Campingplatz unsere Zelte aufschlagen.
Tag 2: Missunde bis Schleimünde (31 km)
An den weiteren Weg die Schlei hinunter erinnere ich mich kaum, auch nicht an den Zwischenstopp in Kappeln – entweder, weil sich bei stetem Rückenwind alle so nett unterhalten haben, oder weil unser Ziel Schleimünde so wunderschön war – ganz am Ende einer schmalen, zerfurchten und komplett als Naturschutzgebiet abgesperrten Landzunge gibt es ein Leuchtfeuer, einen kleinen Hafen und eine Zeltwiese, die man als Normalsterblicher nur über den Seeweg erreicht. Kurz davor haben wir über dem flachen Meeresgrund ordentlich Seegang, und der Hafenmeister kommt uns in einem Motorboot entgegen: Er müsse schon mal los, ruft er uns zu, wir sollen die Hafengebühr einfach in einem Umschlag in den Kasten werfen. Von einer Anhöhe neben der Wiese sieht man zu beiden Seiten das Meer, und der Abendhimmel ist prachtvoll.
Tag 3: Schleimünde bis Høruphav (32 km)
Morgens ahne ich noch nicht, dass die kalte Dusche für zwei Euro vorerst meine letzte gewesen sein wird. Von Schleimünde geht es nach Dänemark, in das Land der hyggeligen Cafés und gepflegten Campingplätze, dachte ich – aber auch das Land der sogenannten primitiven Zeltplätze. Nicht ich habe sie primitiv genannt, wohlgemerkt, sondern die Dänen. Das unschlagbar Tolle an ihnen ist, dass Zelten dort nichts kostet. Das weniger Tolle: Duschen gibt es eher selten, Strom sowieso nicht, Toiletten mit oder ohne fließendes Wasser wenn, dann oft in einiger Entfernung.
Erst einmal aber die Überfahrt. Das Wetter ist ideal für die ca. 10 km lange Querung vom ersten Rastplatz des Tages in Falshöft zum Zwischenstopp in Østerby auf der Halbinsel Kegnaes: wenig Wind, schwache Strömung, lockere Bewölkung. Der Leuchtturm Kalkgrund mitten in der Förde taugt als Orientierungspunkt, Fotohintergrund und Platz für eine Trinkpause auf See. Unseren primitiven Zeltplatz neben dem Hafen von Høruphav (ca. 200 m von der Toilette im Hafen entfernt) erreichen wir am späten Nachmittag und ersetzen die Dusche durch einen Sprung vom Steg ins herrlich klare Wasser.
Tag 4: Høruphav bis Snogbaekskov (17 km)
Von Høruphav ist es nicht weit nach Sønderborg, wo wir auf einem kleinen Stadtstrand gleich neben dem Schlosspark anlanden, zu Mittag essen und uns mit frischen Lebensmitteln eindecken. Dann machen wir einen Abstecher nach Norden in den Alssund und campieren an dessen Ende auf dem Zeltplatz von Snogbaekskov, wo bei Sonne und frischem Wind genug Zeit bleibt, wieder im Meer zu baden, ein paar Anziehsachen zu waschen und ein rekonstruiertes Wikingerschiff zu besichtigen, das ein Stück südlich vertäut liegt. Die Gruppe hat Glück, denn just an dem Abend ist das dazugehörige Museum geöffnet, und das Boot wird bemannt und gefahren!
Inzwischen ist Dienstag, und die Wetterprognose für Freitag ist dermaßen schlecht (5er Gegenwind, in Böen 7), dass wir sicherheitshalber beschließen, kehrt zu machen und schon am Donnerstag bis Flensburg zu fahren, wenn es sein muss.
Tag 5: Snogbaekskov bis Iller Strand (27 km)
Beim Planen der Tagesetappe konsultieren wir die Shelter-App, die uns anzeigt, wo es auf dem wenig bebauten nächsten Küstenabschnitt Holzunterstände für Wanderer oder Paddler gibt. Manche davon sind mit Toiletten ausgerüstet, und dass ich dafür plädiere, dieses Angebot bitte auch zu nutzen, bringt mir zwar für den Rest der Reise Toilettenwitze ein, aber das ist es mir wert. Wir beschließen also, erst zum WC am Schloss von Sønderborg, dann zu einem weiteren WC nahe Kobbelskov und schließlich zum primitiven Zeltplatz mit WC am Rande von Brunsnaes zu fahren.
Auf dem Rückweg durch den Alssund passiert etwas Großartiges, für mich und manche andere in der Gruppe eine Premiere: Wir sichten Schweinswale. Ganz unbeeindruckt von uns ziehen sie zu zweit nebeneinander ihre Bahn, tauchen ca. alle 20 Meter mit den Rücken aus dem Wasser, um zu blasen. Kurz vor Sønderborg kommen uns wieder zwei Tiere entgegen, so nah diesmal, dass man sie sogar schnaufen hört.
Bei der Ankunft am Iller Strand, ein Stück hinter der kleinen Stadt Brunsnaes, beginnt es zu regnen, und wir stellen uns erstmal im Shelter unter, einer Art Bushaltestelle aus Holz mit erhöhtem Boden, die unsere Flensburgerinnen später auch tatsächlich zum Schlafen nutzen. Wir Berliner bauen Zelte auf, laut einem Hinweisschild 600 Meter vom WC entfernt, das sich an der Anlegestelle der Fahrradfähre im Ortskern befindet. Dort gibt es auch einen kleinen unbemannten Kiosk mit Getränken, Eis und einer Vertrauenskasse. Viel leckerer sind aber die reifen Brombeeren und Mirabellen überall am Weg.
Tag 6: Iller Strand bis Flensburg (16 km)
Am Donnerstag haben wir Gegenwind, aber auch keine weite Strecke. Wir umkurven die Halbinsel Holnis, machen eine Klopause ohne Klo (es gibt Schlimmeres, ich geb’s ja zu) kurz hinter Sandager und fahren dann durch bis zu den Okseninseln. Die zwei kleinen Inseln gehören zu Dänemark, sind also mit Sheltern ausgestattet und wirken kurz vor Flensburg noch einmal schön wild und leer. Wir landen im Windschatten der ersten Insel. Es ist regnerisch, also wärmen wir uns mit einem Spaziergang auf die Steilküste, von wo man einen schönen Blick über die Förde hat.
Jetzt ist es schade, dass wir einen Tag früher als geplant fast schon da sind, aber die Prognose für Freitag ist nicht viel besser geworden. Schon kurz nach 14 Uhr landen wir beim Ersten Flensburger Kanu-Klub (EFKK) und gehen alle ausführlich duschen. Eine der Flensburgerinnen chauffiert dankenswerterweise die Fahrer nach Schleswig.
Tag 7: Flensburg zu Fuß und Rückreise
Flensburg ist selbst dann eine schöne Stadt, wenn es in Strömen regnet. Dann braucht man an der Fischbrötchenbude am Museumshafen auch nicht Schlange zu stehen, muss sich mit den Brötchen allerdings in der Museumswerft unterstellen, damit sie nicht davonschwimmen. Wir besichtigen den Ortskern, so gut es bei dem Schietwetter geht, decken uns mit Souvenirs ein und machen uns gegen Mittag auf den Heimweg.
Fazit
Die Tour war toll, und das Paddelrevier ist sehr zu empfehlen. Wann kommt man schon dazu, mal eben im Kajak in ein anderes Land überzusetzen? Wo sonst begegnen einem auf dem Weg zum nächsten Zeltplatz Wale? Und trotz der Hochsaison konnten wir das warme, klare Wasser ohne viel Trubel genießen – auch das ein Vorteil der primitiven Zeltplätze, die nie überfüllt waren. Nächstes Mal habe ich deshalb auch einen Wasservorratsbehälter und eine Powerbank dabei; nur für die Schaufel und die Ziplock-Tüten bin ich noch nicht bereit.